07.09.2021
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Die Themen dieser Woche:
  • Finanzdaten aus der US-Hochschullandschaft
  • Zukunft der Humanities
  • Zahlen zum Bildungsniveau der US-Bevölkerung
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,
 
wir befassen uns in dieser Ausgabe mit Daten zum Finanzierungsmix von US-Hochschulen und mit der Zukunft geisteswissenschaftlicher Fächer im Bildungsangebot von Colleges in den USA. Wir werfen zudem einen Blick auf Zahlen der Lumina Foundation zum Bildungsniveau der US-Bevölkerung und – wie immer – auf verschiedene Kurznachrichten.
 
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre, Gesundheit, Geduld und Zuversicht.
 
Stefan Altevogt
Finanzdaten aus der US-Hochschullandschaft
In der vergangenen Ausgabe hatten wir uns bereits mit einigen Daten der jüngsten Almanach-Ausgabe des Chronicle of Higher Education befasst. Hier folgen nun Daten aus dem Finanzierungsmix von US-Hochschulen, Zahlen, die einerseits angesichts ihrer Dimensionen immer wieder einen „wow-factor“ haben, auf der anderen Seite aber auch vor dem Hintergrund einer sehr stark stratifizierten Hochschullandschaft gelesen werden müssen. So sind etwa der Landschaft insgesamt während des Jahres 2020 fast $50 Mrd. an Spenden zugeflossen. Die 20 Hochschulen mit dem höchsten Spendenaufkommen brachten es davon im Durchschnitt auf jeweils mehr als $600 Mio., vereinten also ein Viertel aller eingegangenen Spenden auf sich.
Doch zunächst einmal die Finanzdaten der Landschaft insgesamt, wie üblich unterteilt in die vier bedeutendsten Sektoren öffentlich vierjährig, öffentlich zweijährig, privat non-profit vierjährig und privat for-profit vierjährig. Die beiden weniger bedeutenden Sektoren, privat non-profit zweijährig und privat for-profit zweijährig, runden dann das Bild der „wow-factor“-erzeugenden Umsätze ab.
714 Einrichtungen des Sektors der öffentlich finanzierten, vierjährigen Colleges hatten insgesamt in 2020 Ausgaben von $317 Mrd., von denen 28% für Lehre ausgegeben wurden und 12% für Forschung. Den Ausgaben standen $330 Mrd. an Einnahmen gegenüber, von denen 21% Einnahmen aus Studiengebühren waren (man sollte hier fairerweise die 3,6% und 7,5% der Gesamtausgaben gegenrechnen, die Hochschulen für „scholarships and fellowships“ und „institutional support“ ausgeben) und 17% direkte Zuweisungen aus den Kassen der für die Grundfinanzierung der Hochschulen zuständigen Bundesstaaten. Ein interessantes Zahlenpaar ist das der Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit Hochschulkrankenhäusern: „Sales and services of hospitals“ schlagen auf der Einnahmenseite mit gut $53 Mrd. zu Buche (gut 16% der Einnahmen), „hospital services“ auf der Ausgabenseite mit gut $50 Mrd. (knapp 16% der Ausgaben).
Im Sektor privat non-profit vierjährig verzeichneten 1.534 Colleges 2020 auf der Einnahmenseite insgesamt $241 Mrd., davon 32% aus Studiengebühren (hier müssten 12,5% und 0,5% gegengerechnet werden, die für „institutional support“ bzw. „grant aid to students“ ausgegeben werden), knapp 13% aus Spenden und knapp 11% aus Vermögenserträgen. Bei den Ausgaben von insgesamt $217 Mrd. entfallen auf mit Lehre (30%) und Forschung (10%) in Summe – wie bei den „Öffentlichen“ auch – lediglich 40% auf die traditionellen Kernaufgaben einer Hochschule. Ähnlich wie bei den „Öffentlichen“ tauchen auch bei den privaten non-profits die Hochschulkrankenhäuser prominent in den Bilanzen auf, nämlich mit 13,5% der Einnahmen und 14% der Ausgaben.
Der Sektor „öffentlich zweijährig“ folgt mit Einnahmen von $54 Mrd. und Ausgaben von $52 Mrd. gemessen am Finanzvolumen auf Rang drei, gefolgt vom Sektor „privat for-profit vierjährig“ ($11 Mrd. Einnahmen und $10 Mrd. Ausgaben), dem Sektor „privat for-profit zweijährig“ (etwa $2,3 Mrd. Einnahmen und Ausgaben) und schließlich von der Orchidee „privat non-profit zweijährig“ ($818 Mio. Einnahmen und $796 Mio. Ausgaben).
Auf der Einnahmenseite verzeichnete die gesamte Hochschullandschaft damit einen Betrag von etwa $640 Mrd. Geht man von einem etwa fünffachen BIP der USA gegenüber Deutschland aus und von einem Umrechnungskurs von $1,18 pro Euro, sollte man ca. 108 Mrd. Euro in den Kassen deutscher Hochschulen vermuten. Statista.de summiert die Gesamtausgaben deutscher Hochschulen für 2019 in der Tat aber mit nur 61 Mrd. Euro. Der Vergleich hinkt etwas, weil zweijährige US-Hochschulen weitgehend Aufgaben erfüllen, die in Deutschland der betrieblichen Berufsausbildung zugerechnet werden, doch selbst wenn man die Umsätze zweijähriger Hochschulen nicht beachtet, scheint der Mitteleinsatz für Hochschulbildung in den USA deutlich über dem in Deutschland zu liegen.
Ein Blick abschließend noch auf die eklatanten Unterschiede zwischen dem Durchschnitt der Hochschullandschaft und ihren Spitzen, die sich gleichermaßen in Stiftungsvermögen wie Spendenaufkommen ausdrücken. Zu Letzterem tabelliert der Chronicle Almanach bei den öffentlich finanzierten Hochschulen an der Spitze eines 20er-Felds die University of California (UC) in San Francisco mit $826 Mio., die University of Washington mit $775 Mio., der UC-Campus in Los Angeles mit $682 Mio., der in Berkeley mit $561 Mio. und (als erste Öffentliche, die nicht an der Westküste beheimatet ist) die Indiana University mit $539 Mio. Erst dann folgt die vermögensstarke University of Michigan mit $434 Mio. und mit $336 Mio. erst auf Rang 12 mit der University of Texas in Austin die öffentlich finanzierte Hochschule mit dem gegenwärtig größten Vermögen.
Bei den privat finanzierten Hochschulen steht die zuletzt stark von Spenden des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg profitiert habende Johns Hopkins University mit $1,52 Mrd. an der Spitze des 20er-Felds, gefolgt von Stanford ($1,36 Mrd.), Harvard ($1,21 Mrd.) und Columbia University ($764 Mio.) Die Top-20 der Privaten brachten es in Summe auf $12 Mrd. an Spendeneinnahmen, die Top-20 der Öffentlichen auf $8,4 Mrd. Der Chronicle schreibt dazu: „The 40 institutions here raised about 41 percent of the $49.5 billion in voluntary support given to American colleges in the 2020 fiscal year.”
Eine andere Tabelle gibt schließlich Aufschluss darüber, woher die Spenden stammen und listet mit Stiftungen (32,2%), Alumni (22,3%) und Firmen (13,4%) drei wichtige Quellen. Bemerkenswert sind aus deutscher Sicht vielleicht die $8,6 Mrd. (17,4%) im Spendenaufkommen, die von Individuen eingeworben wurden, die nicht Alumni der jeweiligen Hochschule sind.
 
Sie finden die Zahlen hier.

Zukunft der Humanities
In einem Beitrag auf Inside Higher Education fordert der Präsident des National Humanities Center, Robert D. Newman, einen multidisziplinären Ansatz zur Erhaltung der Relevanz von geisteswissenschaftlichen Fächern im Bildungskanon der Hochschulen. Derzeit befänden sich die Humanities in einer bedrohlichen Abwärtsspirale, die nur noch verstärkt werden könne, indem man sich auf Vorschläge wie einer „differential tuition“ einlasse, also der Bepreisung einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung nach ihrem „Wert“ am Arbeitsmarkt. Dann könnten sich nur noch Kinder aus wohlhabenderen Familien die Humanities als Kern einer Liberal Arts Education leisten, was sie dann noch stärker der Kritik aussetzen würde, das Hobby einer abgehobenen Elite zu sein.
Diesen Teufelskreis zu durchbrechen, schlägt Newman vor, Humanities nicht länger nur als eine Gruppe von Fächern (etwa Geschichte, Sprachen, Philosophie und Kulturwissenschaften) zu betreiben, sondern als einen methodologischen Werkzeugkasten, der Elemente enthalte wie „problem solving, imaginative bridging, argumentative clarity, [and] evidence-based analysis.“ Er schreibt: „While these methodologies overlap with other fields of study, their application in humanistic inquiry dwells in the complexities and uncertainties that define the human condition. That is their overarching distinguishing feature as well as the substance by which to advocate, not just for their continued existence, but for their prominence through linkage to other disciplines in addressing our most crucial issues.”
 
Sie finden den Beitrag hier.

Zahlen zum Bildungsniveau der US-Bevölkerung
In ihrem Blog „Where the Nation Is Headed” befasste sich Goldie Blumenstyk, beim Chronicle of Higher Education zuständig für Innovationsthemen rund um Hochschulbildung, Anfang September mit den von der Lumina Foundation seit 2009 systematisch analysierten Zahlen zum Bildungsniveau der US-Bevölkerung insgesamt und seit neuerem auch in Abhängigkeit von der jeweiligen ethnischen Zugehörigkeit. Danach habe man auf dem Weg zum erklärten Ziel, 60% der Bevölkerung zu einem weiterführenden Abschluss nach der Oberschule zu bringen, seit 2009 insgesamt schon bemerkenswerte Fortschritte gemacht, doch seien die Fortschritte sehr ungleich über die verschiedenen ethnischen Gruppen verteilt.
Die gute Nachricht in Zahlen: Hätten 2009 lediglich knapp 39% der US-Bevölkerung einen Abschluss oberhalb des Oberschulabschlusses gehabt, seien es 2019 schon fast 46% gewesen.
Die schlechtere Nachricht läge in der sehr ungleichmäßigen Verteilung des Bildungserfolgs: Bei US-Amerikanern asiatischer Abstammung (hinzu gezählt werden auch Pacific Islanders) seien die Zahlen mit 68% bereits zu Beginn des Beobachtungszeitraums beachtlich gewesen und sie seien bis 2019 auf 72,3% angestiegen. Einen ähnlichen Anstieg – von 45,8% auf 52% – sei bei Weißen zu verzeichnen gewesen. Die „Attainment“-Quote sei bei Afro-Amerikanern zwar von 26.5% auf zuletzt 31,8% gestiegen, doch sei hier immer noch deutlich Luft nach oben wie auch in der Gruppe von Latinos, die allerdings mit einem Anstieg von 19,4% auf zuletzt 27,9% eine höhere Steigerungsrate zu verzeichnen gehabt hätten.
Weitgehend abgehängt von post-secondary education blieben schließlich die Native Americans und Alaska Natives, deren Attainment sich von 20,2% auf zuletzt 21,2% entwickelt habe.
 
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Kurznachrichten
Der Chronicle of Higher Education zitiert eine Studie, der zufolge die Ausweitung des Anteils von höhere Studiengebühren zahlenden out-of-state students an den Hochschulen nicht zu höheren Einnahmen aus Studiengebühren führen würde und entsprechend auch zu geringeren „per-student expenditures“.
 
Sie finden den Beitrag hier.
 
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Die University of Massachusetts meldet laut Inside Higher Education den Eingang der bislang größten Einzelspende im Gesamtumfang von $50 Mio., deren erste Tranche im Umfang von $15 Mio. an das College of Nursing and Health Sciences der Hochschule in Bostoner gehen solle, um dort den Anteil von Minoritäten in der Krankenpflegeausbildung zu erhöhen. Das College werde zudem zu Ehren der beiden Spender, Robert und Donna Manning, umbenannt. Zu ihr heißt es: „The gift was inspired by Donna Manning’s 35-year career as an oncology nurse at Boston Medical Center, to which she donated her salary each year.”
 
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CBC meldet, dass die Regierung der kanadischen Provinz Ontario jetzt die Beschränkungen von Seminargrößen an den Hochschulen und Vorgaben zum Mindestabstand aufgehoben habe. Allerdings fordere die Regierung auch von den Hochschulen, bis 7. September ein verbindliches Impfkonzept vorzulegen.
 
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Eine weitere Meldung auf CBC widmet sich den Bemühungen der Hochschulen in Ontario, sicherzustellen, dass internationale Studierende zum derzeitigen Studienbeginn geimpft sind bzw. sofort nach Ankunft eine Impfung erhalten. Es heißt: „With campuses reopening in September as provinces have instituted reopening plans, many post-secondary schools have issued vaccine mandates to live or learn on site. They include requiring that students – international and domestic – have at least one dose of a World Health Organization-authorized vaccine to move into residence.”
 
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Times Higher Education (THE) hat listet in der jüngsten Ausgabe ihres Rankings wie gewohnt eine Mischung aus US-amerikanischen und wenigen britischen Spitzen-Universitäten in den Top-10, auf Rang 15 dann mit der ETH Zürich die erste Hochschule außerhalb dieses Raums, mit Peking University und Tsinghua University auf den Plätzen 16 und 17 zwei Hochschulen in China und mit der University of Toronto (Rang 18), University of British Columbia (Rang 37) und McGill University (Rang 44) die bestplatzierten kanadischen Universitäten. Die bestplatzierten deutschen Hochschulen sind die LMU und TUM in München (Rang 32 bzw. 38) und die Universität Heidelberg (Rang 42).
 
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Der das Ranking begleitende Beitrag bemerkt den Impact von wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Covid-19 auf das jüngste Ranking und schreibt: „19 institutions saw a notable rise in their citation impact score between the 2021 and 2022 editions of the ranking after publishing medical papers relating to Covid-19. Eleven of these institutions are in mainland China, while one is in Taiwan and another is in Hong Kong. As a result, mainland China now has the joint fifth highest number of institutions in the top 200 (10, up from seven last year), overtaking Canada and on a par with the Netherlands.”
 
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