Ausgabe ___ | March 29 2017
30. April 2018
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Themen dieser Woche:

  • Wachstumsstrategien einiger öffentlicher Hochschulen in den USA
  • Wie das Problem der Studienschulden in den USA anzugehen wäre
  • Grenzen der Meinungsfreiheit?
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe befassen wir uns mit zwei Beiträgen zu derzeitig beobachtbaren Wachstumsstrategien einiger öffentlicher Hochschulen und mit dem Problem von Studienschulden in den USA. Wir werfen zudem einen Blick auf die möglichen Grenzen von Meinungsfreiheit für entfristete Professoren und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche. 

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre.

Stefan Altevogt
Wachstumsstrategien einiger öffentlicher Hochschulen in den USA
Während der vergangenen beiden Jahrzehnte war die gewinnorientierte University of Phoenix hinsichtlich der Studierendenzahlen das Maß aller Dinge in den USA. Mit 600.000 eingeschriebenen Studierenden (die allermeisten freilich online und teilzeitig) erreichte die Hochschule im Jahr 2010 ihren „Peak” bei den Einschreibungen und musste seither stetige Verluste bis hinunter auf zuletzt unter 140.000 hinnehmen.
Auf der anderen Seite, so ein Beitrag auf Inside Higher Education, seien einige öffentlich finanzierte Hochschulen auf dem besten Wege, die Marke von 100.000 eingeschriebenen Studierenden zu brechen.

Zwei Hochschulen, die Western Governors University in Salt Lake City und die Southern New Hampshire University, würden in Kürze oder hätten bereits die weiterhin fallenden Einschreibungszahlen für reine Fernstudiengänge der University of Phoenix erreicht. Als einer der wichtigsten Gründe für den Erfolg der Non-profits zähle laut einer Hochschulberatungsfirma deren Perzeption als qualitativ höherwertig, weil nicht an Gewinn interessiert. Ein Mitarbeiter der Firma wird mit den Worten zitiert: „Not-for-profit is associated with quality now. Students think, ‘I can trust Southern New Hampshire University because they told me 17 times in their television commercial that they’re not-for-profit.’”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education befasst sich in dieser Woche mit Hintergründen eines zweiten prominenten Beispiels (das erste ist der Kauf der Kaplan University durch Purdue University) des Kaufs einer gewinnorientierten Hochschule durch eine öffentlich finanzierte Universität. Wie zu erwarten, erfolge der Kauf nicht ohne Widerstände: „The University of Massachusetts at Amherst’s decision to buy Mount Ida College and assume the private institution’s debt has prompted questions from government officials and state agencies, and frustration from students and their parents. But the loudest question has come from vocal critics on the UMass system’s Boston campus: What about us?”

Die Frage scheine berechtigt zu sein, liege doch der frisch erworbene Campus etwas mehr als eine halbe Autostunde vom Boston-Campus der UMass entfernt. Aus der Perspektive des Flaggschiff-Campus der UMass in Amherst sei allerdings auch nachvollziehbar, dass man sich dort insgesamt breiter austellen und als ein Standort mit landesweiter und internationaler Anziehungskraft gelten wolle. Dazu gehöre eben auch ein Campus in einem der Vororte von Boston und die unmittelbare Anbindung an den dortigen Technology Corridor.

Der UMass-Standort in Boston halte dagegen: „People believe that UMass-Boston is forgotten and viewed as this charity case because we are a majority-minority campus. And people feel like the president’s office and the Board of Trustees don’t take us seriously because of that.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

Wie das Problem der Studienschulden in den USA anzugehen wäre
Unter der Überschrift „How to Clean Up the Student Loan Mess” hatte Susan Dynarski Anfang April in der New York Times ein Thema angesprochen, das bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen zwar eine untergeordnete Rolle gespielt hat, das sich aber durch Hartnäckigkeit und Mittelstandsrelevanz gleichermaßen auszeichnet.

Es könne, so die Eingangsthese des Beitrags, nicht dauerhaft sein, dass Studiendarlehen auf der einen Seite eine zentrale Rolle bei der Studienfinanzierung hätten, auf der anderen Seite aber mehrere Millionen Schuldner mit ihren Zahlungen in Verzug gerieten. Viel zu zufällig seien die Faktoren, die zu einem mehr oder weniger glücklichen Ausgang des Leihgeschäfts führten: „Who answers the phone at the loan company, what choices you’re offered and how they are framed can have profound effects on your financial well-being. (...) Seemingly small missteps can send a borrower spiraling into default. The loan companies have misdirected payments, lost paperwork and charged the wrong interest rate, the Consumer Financial Protection Bureau and Government Accountability Office have shown.”

Das Problem läge zu weiten Teilen in einem Mangel an staatlicher Regulierung, denn obgleich die öffentliche Hand Gläubiger der allermeisten Studienschulden sei, würde der Schuldendienst von privaten Firmen verwaltet und diese täten es mehr schlecht als recht bzw. nach Gefühl und Wellenschlag mit zum Teil gravierenden Auswirkungen für Schuldner, die – aus welchen Gründen auch immer – mit Rückzahlungen in Verzug geraten. Die Gründe seien aber jeweils ein wichtiger Hinweis für die erforderlichen Maßnahmen, wieder mit den Zahlungen in Tritt zu kommen. Zu diesem „arbitrary process” habe ein Promotionsstudierender der Yale University Anfang des Jahres eine Untersuchung auf Grundlage von tausenden von Darlehensvorgängen veröffentlicht. Es heißt zum Ergebnis der Untersuchung: „Assigning a call to one operator instead of another has real effects on a borrower’s loan status. Simply being placed in an income-based repayment program slashed loan delinquency by 21 percentage points to essentially zero. Those enrolled in the income-based program were 2 percentage points more likely to hold a mortgage (a substantial increase given the baseline of 20 percent), likely reflecting an increase in homeownership. And they were paying down their student loans faster than those who were enrolled in standard plans, in which payments are fixed for 10 years and do not vary with income.”

Die zuständige Regulierungsbehörde, das Consumer Financial Protection Bureau, komme unter Trump ihrer Aufgabe in einem noch geringeren Umfang nach als unter Obama und Eingriffsversuchen einiger Bundesstaaten würde das Bildungsministerium unter Betsy DeVos mit der Begründung entgegenstehen, allein der Bund habe Jurisdiktion über aus Bundesmitteln subventionierte Studiendarlehen.
Die Lösung des Problems sei dabei gar nicht so schwer zu finden. In Australien oder England seien etwa Antworten auf Fragen zu finden, die in den USA erstmal ernsthaft gestellt werden müssten. Schuldner sollten im Verzugsfall automatisch in einkommensabhängige Ratenprogramme gelangen, oder besser noch, Rückzahlungsraten könnten automatisch von Einkommen einbehalten werden. Zu einem der beliebtesten Einwände gegen eine solche Politik heißt es schließlich: „Some people oppose this approach, arguing that payroll deduction elevates student loans over food and rent as payment priorities. But this misses the strongest protection of payroll withholding: It automatically cuts payments to zero when earnings drop low enough, putting loans at the bottom of the payment hierarchy.”

Sie finden den Beitrag hier.

Grenzen der Meinungsfreiheit?
Der Tod der ehemaligen First Lady, Barbara Bush, hat an der California State University at Fresno durch die Twitter-Tirade einer Professorin zu einem Eklat geführt. Randa Jarrar hatte die vor zwei Wochen verstorbene Ehefrau von Präsident George H. W. Bush als eine Rassistin beschimpft, die zudem einen Kriegsverbrecher (George W. Bush) großgezogen habe. Jarrar bezog sich dann im weiteren Verlauf ihrer Äußerungen auf ihren Tenure-Status als Schutz gegen mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen.

Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education fragte anlässlich des Eklats: „How Low Can a Tenured Professor Go on Twitter?” Fresno könne zu den Grenzen der durch Tenure gedeckten Meinungsfreiheit ein Prüfstein werden, denn der Präsident der Hochschule, Joseph I. Castro, habe sich erst einmal alle Optionen, also auch die einer Kündigung, vorbehalten wollen. Seine Äußerung „Just because you’re a tenured professor doesn’t mean you can do or say whatever you wish” habe dann aber doch die Alarmglocken in den Fakultäten des Landes erklingen lassen. Es heißt: „Free-speech warriors swooped in to criticize the president, for his switch in tone. On Wednesday night, in the midst of Randa Jarrar’s Twitter tirade, Castro had suggested his hands were tied because the English professor was speaking as a private citizen and her statements, while offensive, reflected her personal views.”

Auf der anderen Seite seien die Beschwerden gegen Jarrar zumindestens zahlenmäßig erheblich gewesen. Das Problem scheine nun zu sein, dass die Verteidigungslinie Castros, Jarrar habe als Privatperson getwittert, durch Jarrar selber unterlaufen werde, indem sie ausdrücklichen Bezug auf ihren Tenure-Status als Rechtfertigung ihrer Meinungsäußerung genommen habe. Es heißt: „That, some suggest, could open the door a crack to making the case that she was tweeting as a professor, not just as a private citizen.”

Sie finden den Beitrag hier.

Auf Inside Higher Education wurde noch am selben Tag ein Update der Haltung der Uni-Leitung gegeben, in dem es heißt, man werde ermitteln: „A professor with tenure does not have blanket protection to say and do what they wish. We are all held accountable for our actions.”

Sie finden die Meldung hier.

Kurznachrichten
Der Chronicle of Higher Education zitiert aus einem während der jüngsten Jahrestagung der American Educational Research Association vorgestellten Paper von Florence Xiaotao Ran mit dem Titel „Role of Adjunct Faculty in Realizing the Postsecondary Dreams of Historically Marginalized Student Populations” und schreibt: „[It] is not the first to examine the link between part-time instructors and student outcomes (...). Several previous papers have found a negative relationship between contingent faculty members and student outcomes.” Einer der zahlreichen, in dieselbe Richtung gehenden Forschungsbeiträge mit dem Titel „Early College Exposure to Non-Tenure Track and Part-Time Faculty – Examining Effects on Socialization and Student Success in Science, Technology, Engineering, and Mathematics” habe zudem die Korrelation von vollzeitigem Lehrpersonal und Studienerfolg beziffert: „For every 1-percent increase in the share of faculty members who work full time and off the tenure track, students’ chances of graduation drop 1.75 percent. If a college’s professors predominantly work off the tenure track, students are 1.5 percent more likely to change out of a STEM major.”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein Beitrag auf Inside Higher Education befasst sich mit den Kosten, die Hochschulen durch die rasant steigende Nachfrage von Studierenden nach leistungsfähigem Wi-Fi auf dem Campus schultern müssten. Es heißt: „At some of the largest institutions in the country (...) Wi-Fi upgrades can run into millions of dollars. Last week Ohio State University’s Board of Trustees approved a $18.6 million campuswide update. The project will improve and expand Wi-Fi access across Ohio State's 1,777-acre campus. Inside buildings, the number of wireless access points will increase from 10,000 to 23,000. In outside areas, access points will increase from 32 to 1,000. The upgrade has garnered significant media attention, because it will also bring Wi-Fi to the stands of the Ohio Stadium, which seats over 100,000 fans.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

Inside Higher Education meldet die bevorstehende Schließung der University Press of New England zum Ende dieses Jahres. Der 1970 zur Deckung der Bedürfnisse von zehn Hochschulen gegründete Verlag habe zuletzt mit Brandeis University und Dartmouth College nur noch zwei Trägereinrichtungen gehabt und sei ökonomisch nicht mehr weiter tragfähig.

Sie finden die Meldung hier.

Ein Beitrag im Chronicle of Higher Education erinnert daran, dass Hochschulverlage fast so alt seien wie die Buchdruckkunst selber und dass die Verlage stets auch Texte herausgegeben hätten, deren Verlag ökonomisch nicht tragfähig gewesen sei. Die jüngsten Schließungen von Hochschulverlagen in den USA seien nicht nur bedauerlich, sondern auch ein schlechtes Zeichen für die Gesundheit der Hochschullandschaft insgesamt. Es heißt: “The relationship between the public university press and the public university is like that between the frog and the pond – if the frog gets sick, the pond is probably toxic.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education richtet sich Eric Bennett, Associate Professor für English am Providence College, mit einer Analyse der empfundenen politischen Randständigkeit zeitgenössischer Geisteswissenschaften an die Berufskolleginnen und –kollegen und schreibt: „Our manner has been academic, but our matter has been political, and we have fought hard. So how have we ended up in these ominous political straits? The easy answer is frightening enough: We don’t really matter. The hard one chills the blood: We are, in fact, part of the problem.”

Sie finden diesen Beitrag hier.
Impressum


Dr. Nina Lemmens
Stefan Altevogt, Katrin Kempiners, Redaktion

Sie erhalten diese Nachricht als Newsletter-Abonnent der DAAD Außenstelle New York.

Copyright © by DAAD New York. Der Inhalt dieses Newsletters ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung des Textes - auch auszugsweise - ohne vorheriges schriftliches Einverständnis von DAAD New York ist nicht gestattet.