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DAAD Nordamerika Nachrichten
8. Mai 2017

 Die Themen dieser Woche:
  Studienschulden in den USA und deren künftige Abwicklung
  „The Corporate Assault on Higher Education”
  „Too Good to Be True”? Der Purdue-Kaplan Deal
  Kurznachrichten
 
  Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe befassen wir uns mit den Studienschulden in den USA und deren künftige Abwicklung und mit einem Beitrag im Chronicle of Higher Education über den „Corporate Assault on Higher Education”. Wir werfen zudem einen Blick auf einen kritischen Kommentar zum in der vergangenen Ausgabe gemeldeten Kauf von Teilen der gewinnorientierten Kaplan University durch die öffentlich finanzierte Purdue University, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre.

Stefan Altevogt

Studienschulden in den USA und deren künftige Abwicklung

  Die New York Times meldete Mitte April eine Entscheidung der Bildungsministerin Betsy DeVos, den noch aus der Vorgängerregierung stammenden Versuch zu einer Konsolidierung der Abwicklung von Studienschulden bei nur einem öffentlich ausgeschriebenen und damit für die Schuldner vermutlich günstigen Dienstleister zu beenden. Es gehe um sehr viel Geld: „Her [Betsy DeVos’] department administers $1.3 trillion in loans on behalf of nearly 43 million student borrowers. At issue is which companies will handle the bulk of those loans in the future, and how they will do it. Under the Obama administration, the Education Department was on the verge of selecting a single vendor to build a new system for servicing its student loans, in what was expected to be one of the largest federal contracts outside of the military.”

Sie finden die Meldung hier.

Im April hatte die New York Times in einer Reihe von Beiträgen das Problem beleuchtet, dass die Obama-Regierung mit der Ausschreibung unter anderem hatte lösen wollen. Im Zentrum der Beiträge stand dabei die Praxis von Navient, eine der zahlreichen Firmen im Geschäft mit Student Loans und 2014 aus der Firma Sallie Mae hervorgegangen. (Sallie Mae hat seinerseits eine bemerkenswerte Geschichte im Wechselspiel zwischen öffentlicher Aufgabe und Profit: Sie wurde 1973 zur Abwicklung von Studierendendarlehen als Regierungseinrichtung gegründet und dann 2004 in die gewinnorientierte Unabhängigkeit entlassen.) Navient, so der Beitrag, sei in der jüngeren Vergangenheit vor allem dadurch aufgefallen, dass die Firma Studiendarlehen sehr aggressiv und ohne Rücksicht auf reelle Chancen der Rückzahlbarkeit vermarktet habe, einer Technik, der bei der Analyse des Platzens der Immobilienblase in den USA 2008 als „predatory lending” eine zentrale Stellung eingeräumt wurde. Es heißt: „Two state lawsuits filed by the attorneys general in Illinois and Washington [claim] that Sallie Mae engaged in predatory lending, extending billions of dollars in private loans to students (..) that never should have been made in the first place.”

Sie finden den Beitrag hier.

Ein weiterer Beitrag der New York Times versammelte Anfang April einige Stimmen von Schuldnern von durch Navient generierte Studiendarlehen, Stimmen wie die von Nick Newton: „You keep throwing money at it every month, and the balance doesn’t go down. College would end up being the biggest mistake of my life.”
Auf der anderen Seite fänden sich aber auch Beispiele von Schuldnern, die einfach ihre Zahlungen eingestellt hätten: „I’ve stopped paying on most of them. My view is, if I die, who is going to pay for the loans? I’m not married. I’m not tied to anyone. There’s nothing they can do.” Durch private Insolvenzen seien Studienschulden zwar nicht zu regeln, doch würden einige der Schuldner ihre jeweils eigenen Wege finden, was für das Gesamtproblem der Schulden sicherlich nicht nützlich sei.

Sie finden diesen Beitrag hier.

„The Corporate Assault on Higher Education”

  In einem Beitrag für den Chronicle of Higher Education beschreibt Gordon Lafer scheinbar vereinzelte und nicht zusammenhängende Symptome einer Wandlung der Hochschulbildung in den USA entlang der Bedürfnisse der freien Marktwirtschaft und zählt unter anderem auf: In Kansas untergrabe der Hochschulrat des öffentlich finanzierten Hochschulsystems die akademische Freiheit durch Unterwerfung von Äußerungen der Fakultätsmitglieder unter ein nicht näher bestimmtes „best interest of the university”, in Iowa werde die Lebenszeitanstellung für „schlechte” Professoren diskutiert und in Florida unterschiedlich hohe und an „Markttauglichkeit” der Studienangebote orientierte Studiengebühren. Der Autor erkennt in den beschriebenen Symptomen ein System und schreibt: „They are part of a coherent and well-coordinated agenda that is fueled by the largest and most powerful political forces in the country: the nation’s premier corporate lobbies.” Die wichtigsten Lobbygruppen seien in diesem Zusammenhang die U.S. Chamber of Commerce, die National Association of Manufacturers, die National Federation of Independent Business und die durch die Koch-Brüder finanzierte Denkfabrik Americans for Prosperity. Auf Ebene der für die öffentlichen Hochschulen des Landes maßgeblichen Bundesstaaten trete als koordinierende Einrichtung der American Legislative Exchange Council in Erscheinung, auch ALEC genannt. ALEC erfülle eine wichtige Funktion als Scharnier zwischen den Interessen der Privatwirtschaft und dem Gesetzgeber: „The corporate agenda is carried out through an integrated network that operates on multiple channels at once. It finances ALEC to write bills, craft legislative talking points, and provide a meeting place for legislators and lobbyists to build relationships. It supports local think tanks in the ALEC-affiliated State Policy Network to produce white papers, legislative testimony, opinion columns, and media experts. It contributes to candidate campaigns and party committees. It underwrites independent expenditures on behalf of lawmakers or issues. And it deploys field organizers to key legislative districts.” Es sei demnach leichtsinnig, sich bei der Einschätzung von privatwirtschaftlichem Einfluss auf die Hochschulpolitik des Landes nur auf die Bundesebene zu konzentrieren, während sich ALEC rühme, derzeit landesweit pro Jahr 200 von ihm unterstützte Gesetzesvorhaben erfolgreich durch die Parlemente der Bundesstaaten zu geleiten. Auf der Ebene der Bundesstaaten würden Lobbyisten in der Regel aus zwei Gründen nur sehr wenig Widerstand begegnen: Zum einen würden Politiker in der Regel nur dann und auch nur beschränkt auf die Interessen ihrer Wähler Rücksicht nehmen, wenn die Debatte um ein Thema große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehe, was landespolitische Themen in der Regel nicht täten, zum anderen wüssten Wähler in mehr als der Hälfte der Fälle nicht einmal, welche Partei in der Hauptstadt des Bundesstaates gerade an der Regierung sei und weniger als ein Viertel der Wähler würde den Namen des Abgeordneten aus dem eigenen Wahlkreis kennen. Die Folge: „Apart from unions and a handful of progressive activists, the corporate agenda encounters little resistance at the state level because hardly anyone knows about or understands the issues.” Ein Hoffnungsschimmer gegen diese Entwicklung habe sich allerdings in der Kandidatur von Bernie Sanders zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten abgezeichnet. Seine Forderung nach Hochschulbildung als einer öffentlichen und entsprechend öffentlich finanzierten Aufgabe habe ihren Widerhall in der jüngsten Entwicklung im Bundesstaat New York gefunden. „As we move into an uncertain future, it is the battle between these two visions [Sanders vs. ALEC] that will shape the education and life chances of coming generations.”

Sie finden den Beitrag hier.

„Too Good to Be True”? Der Purdue-Kaplan Deal

  „If something sounds too good to be true”, so eine Redewendung in den USA, „it ain’t.” Im Chronicle of Higher Education geht in dieser Woche der ehemalige Staatssekretär im US Department of Education, Robert Shireman, der Frage nach, aus welchen Gründen der in der vergangenen Woche Schlagzeilen gemacht habende Kauf von erheblichen Teilen der gewinnorientierten Kaplan University durch die öffentlich finanzierte Purdue University zu gut klinge, um wahr sein zu können. Im Gegenteil zu den durch den Präsidenten von Purdue, Mitch Daniels, verbreiteten guten Nachrichten davon, dass es nun eine gewinnorientierte Hochschule im Lande weniger zu fürchten gäbe, würde der Vertrag in Wirklichkeit eine öffentliche Hochschule langfristig mit einer Firma verheiraten, die ausschließlich den Interessen ihrer Investoren verpflichtet sei.
Shireman stützt seine Einschätzung dabei auf die Analyse der zentralen Regelungen im Vertrag, die sich um das Online Program Management (OPM) der „New University” drehen, dem auf Online Education ausgerichteten Kern der Zusammenarbeit. Der Vergleich mit 76 ähnlich ausgerichteten Verträgen zwischen öffentlichen Hochschulen und privatwirtschaftlichen Anbietern zeige: „Not one of those contracts grants the for-profit company the scope, governance rights, brand use, and guaranteed stability that Purdue is giving Kaplan in this deal.”
Die größte Gefahr für die „Marke” Purdue ginge von der Bestimmung im Vertrag aus, dass Kaplan die Kontaktdaten von Interessenten an Purdue-Programmen auch für Marketingzwecke abseits von Purdue benutzen dürfe, ein Recht, das einer OPM-Firma gegenüber der University of California Berkeley im Hinblick auf nur ein einziges Programm $4,2Mio über 14 Jahre wert gewesen sei. Die wahrscheinliche Folge: „Kaplan will be able to use Purdue as a lead generator for scores of programs, selling to potentially hundreds of less-prestigious future Kaplan clients – a gold mine for Kaplan.” (Man stelle sich vor, Trump University würde einen Vertrag mit der Alma Mater des Schwiegersohns des US-Präsidenten schließen und als dann als Harvards OPM-Firma ähnlichen Zugriff auf die Interessenten an Harvard-Angeboten haben.)
Die zentralen Argumente in Daniels Präsentation vor seinem Hochschulrat – a boost in online education at virtually no financial risk by outsourcing the task to a back office with a good reputation regarding ethics, academics, regulatory and legal compliance – seien schlicht „too good to be true”.

Sie finden den Bericht hier.

Inside Higher Education meldete in dieser Woche die Verabschiedung einer Resolution durch den Senat der Purdue University gegen die in der vergangenen Wochen getroffenen Entscheidung des Hochschulrats zum Erwerb von Kaplan und schreibt: „The resolution calls on Purdue President Mitch Daniels and the university’s Board of Trustees to rescind any decisions possible about the online-heavy university Purdue is acquiring from Kaplan. It also calls on Purdue leaders to include faculty members in all decisions made going forward about the soon-to-be-acquired university.”

Sie finden die Meldung hier.

Kurznachrichten

  Die Stellungnahme der Präsidentin Association of American Universities (AAU), Mary Sue Coleman, zum soeben verabschiedeten Gesetz zum US-Bundeshaushalt für die verbleibenden fünf Monate des Haushaltsjahrs 2017 (FY17) verrät die Bedeutung von Stipendienprogrammen zur Finanzierung von Studiengebühren für die Finanzierung der Haushalte von den in der AAU zusammengeschlossenen 60 forschungsstärksten Hochschulen der USA. Es heißt: „We applaud the House and Senate leadership for coming together and forging a sensible compromise on FY17 funding. The package provides much-needed funding to the National Institutes of Health (NIH) and other critical science, innovation, and student aid programs. We’re particularly pleased to see year-round funding of the Pell Grant program, as well as the modest increases to the National Science Foundation (NSF) and the National Endowment for the Humanities (NEH).”
Zum Verständnis ein Blick auf die Größenordnungen: Das Pell Grant Programm hat als einkommensabhängiges Stipendienprogramm des Bundes für grundlegende Studiengänge einen Gesamtumfang von derzeit etwa $30Mrd. pro Jahr, die Förderung der NIH für Forschung außerhalb der eigenen 27 Institute (extramural) beläuft sich auf derzeit knapp $17Mrd pro Jahr, die NSF hat ein Jahreshaushalt von leicht über $7Mrd. und das NEH „lebt” von jährlich gut $150Mio.

Sie finden die Stellungnahme hier.

In einem Gastbeitrag für den Chronicle of Higher Educates warnt Daniel McCormack aus systematischen Gründen davor, sich bei der Entscheidung für eine akademische Karriere zu sehr auf den Rat seiner Professoren zu verlassen, und schreibt: „It [der Rat] is coming entirely from people who decided that academe was a good fit for them. That is what’s called a ‘selection problem,’ and it arises when the sample of data you have is generated by the process you want to try to understand.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

Die New York Times meldet die Schließung der Whittier Law School im kalifornischen Costa Mesa und schreibt: „It [is] the first fully accredited law school in the country to shut at a time when many law schools are struggling amid steep declines in enrollment and tuition income.” Von den derzeit 205 Law Schools des Landes sei Whittier allerdings gemessen an den drei wesentlichen Parametern, nämlich Anteil der Absolventen, die eine Zulassung als Anwalt im Bundesstaat bekommen haben, Anteil der Absolventen, die im Studienfach Beschäftigung gefunden haben, und durchschnittliche Verschuldung der Absolventen, eine der prekärsten Schulen gewesen. Die Werte waren: 22% der Absolventen mit Bar Exam in Kalifornien, 29,7% „employment rate for long-term jobs requiring a legal degree” und „an average of $179,000 in pre-interest debt”.

Sie finden die Meldung hier.

In einem Gastbeitrag für den Globe and Mail fordert die Präsidentin der kanadischen University of Calgary, Elizabeth Cannon, die politisch Verantwortlichen des Landes auf, die richtigen Schlussfolgerungen aus dem jüngst vorgelegten Naylor Report zu ziehen und dafür zu sorgen, dass die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (wieder) höher priorisiert wird. Sie schreibt unter der Überschrift „Canada can’t afford to lose a generation of top research talent”: „Now is the time to send a strong signal to the international community that Canada is a place to build a career, to be successful at developing ideas and seeing them impact the broader community.”

Sie finden diesen Beitrag hier.

Sie finden den Naylor Report hier.
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