Ausgabe ___ | March 29 2017
21. August 2017
Nordamerika Nachrichten
Dieser Newsletter informiert deutschsprachige Leser über aktuelle Entwicklungen und Trends im Hochschulwesen der USA und Kanada.
Themen dieser Woche:

  • Chronicle of Higher Education Almanac 2017-18
  • Opening Doors: Selektive Hochschulen und ihre Verantwortung für soziale Mobilität
  • Was ist durch Meinungs- und Redefreiheit geschützt?
  • Kurznachrichten
Liebe Leserinnen und Leser,

in dieser Ausgabe befassen wir uns mit Zahlen aus dem soeben vorgelegten Chronicle of Higher Education Almanac 2017-18 und der Verantwortung selektiver Hochschulen für soziale Mobilität. Wir werfen zudem einen Blick auf das mit Meinungs- und Redefreiheit unter Umständen einhergehende Dilemma, dem sich Hochschulen derzeit ausgesetzt sehen, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.

Ich wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre.

Stefan Altevogt
Chronicle of Higher Education Almanac 2017-18
Der Chronicle of Higher Education hat jetzt mit dem „Almanac of Higher Education 2017-18” sein bewährtes Nachschlagewerk für Zahlen zur US-amerikanischen Hochschullandschaft herausgegeben. Die USA haben danach mittlerweile gut 321 Mio. Einwohner, von denen noch 73% als „White” kategorisiert sind, knapp 13% als „Black” und knapp 18% als „Hispanic”. Mittlerweile sprechen fast 22% der US-Amerikaner zu Hause eine andere Sprache als Englisch, in Kalifornien sind es fast 45%.
Das pro-Kopf-Einkommen ist liegt im landesweiten Durchschnitt bei etwas unter $30.000 im Jahr, wobei die Abweichungen nach oben und unten die eigentliche Nachricht sind und man regelmäßig mit der Vermutung richtig liegt, dass der Bezirk der Bundeshauptstadt Washington, also der District of Columbia (DC), Tabellenführer ist (mit mehr als $50.000) und das unweit liegende West Virginia mit $23.500 das Schlusslicht.

Der Chronicle Almanach zählt mit insgesamt 4.582 „institutions of higher education” deutlich weniger Hochschulen als das National Center for Education Statistics (NCES) des Bildungsministeriums, weil letzteres alle 6.760 „Title IV Institutions” listet, für deren Besuch man aus Bundesmitteln finanzierte Unterstützung beantragen kann. An den vom Chronicle Almanach gezählten Hochschulen studierten 17 Mio. als Undergraduates noch unterhalb des Bachelor Abschlusses und weitere 3 Mio. als Graduate Students.

Die US-amerikanische Hochschullandschaft kennt zahlreiche Institutionstypen, von denen im Hinblick auf die Studierendenzahlen allerdings nur vier relevant sind, nämlich überwiegend öffentlich finanzierte, vierjährige Hochschulen mit derzeit insgesamt 8,4 Mio. Studierenden, überwiegend öffentlich finanzierte, zweijährige Hochschulen mit derzeit insgesamt 6,2 Mio. Studierenden, privat finanzierte vierjährige Hochschulen mit 4 Mio. Studierenden und die vierjährigen For-Profits mit derzeit 1,1 Mio. Studierenden.
Von den verschiedenen Hochschultypen sind für deutsche Leser vor allem zwei Kategorien relevant, die zusammen gut 2.300 öffentlich finanzierten und die privat finanzierten vierjährigen Hochschulen. Das ist allerdings eine kaum zu überschauende Gruppe.

Weil es darüber hinaus aber mit Humboldt um die Verbindung von Lehre und Forschung geht, würde man zunächst die 327 Hochschulen in den Blick nehmen, die von der Carnegie Classification als „research universities” geführt werden. Die Kategorie kennt dann noch drei Untergruppen je nach Forschungsintensität. Die in der Kategorie „highest research activity“ bieten dann mit 115 Universitäten eine schon besser zu überblickende Landschaft an, in der 81 öffentlich und 34 privat finanzierte Forschungshochschulen zu finden sind.

Nimmt man noch weitere 104 Universitäten mit „higher research activity (74 öffentlich / 30 privat) hinzu und 108 mit „moderate research activity“ (37 öffentlich / 54 privat / 17 for profit), dann hätte man zwar nach Einrichtungen nur 7,4% der gesamten Hochschullandschaft abgedeckt, doch mit 32,4% fast ein Drittel aller Studierenden in den USA.

Promoviert wurden an den Forschungshochschulen des Landes zuletzt insgesamt 55.000 Studierende, davon 46% Frauen und fast 30% auf zeitlich befristeten Visa. Der Zeitaufwand vom Bachelor’s Degree bis zur Promotion wird nach groben fachlichen Bereichen im Median angegeben, etwa in den Lebenswissenschaften mit 8,2 Jahren, in der Physik mit 7 Jahren, in den Geisteswissenschaften mit 11 Jahren und in den Erziehungswissenschaften mit 14,8 Jahren. Die großen, öffentlich finanzierten Universitäten des Landes promovieren erwartungsgemäß auch die größten Kohorten von Doktoranden, etwa 852 an der University of Michigan (UMich) an ihrem Flaggschiffcampus in Ann Arbor, 841 an der University of Texas (UT) in Austin, 836 an der University of Wisconsin (UWis) in Madison und 811 an der University of California (UC) in Berkeley.

Der Grund, warum die Johns Hopkins University mit zuletzt $2,3 Mrd. die Liste der universitären Forschungsausgaben regelmäßig dominiert, erschließt sich wie immer aus der Fußnote: „The Johns Hopkins University includes the Applied Physics Laboratory, which had $1,327,845,000 in total research-and-development expenditures in the 2015 fiscal year.“ Ohne diesen Sonderposten würde Johns Hopkins sogar noch hinter Harvard University ($1,013 Mrd.) auf Rang 10 der Tabelle abrutschen. Tabellenführer wäre dann die UMich ($1,369 Mrd.) vor der University of Washington in Seattle ($1,18 Mrd.), UC in San Francisco ($1,126 Mrd.), UC San Diego ($1,101 Mrd.) und UWis mit ($1,069 Mrd.). Die drei anderen Ausgabenmilliardäre in puncto „research and development“ (R&D) seien der Vollständigkeit halber mit Duke, Stanford und UC Los Angeles auch noch genannt. Zusammen gaben die 40 ausgabenstärksten Hochschulen $34,2 Mrd. für R&D aus und damit knapp die Hälfte aller R&D-Ausgaben in der gesamten Hochschullandschaft.

Sie finden den Almanach hier

In den kommenden Ausgaben der DAAD Nordamerika Nachrichten werden wir uns mit weiteren Aspekten des Chronicle Almanach befassen, vor allem mit den in den einzelnen Bundesstaaten doch sehr unterschiedlichen Situationen, die außerhalb des Landes oft als landesweiter Durchschnitt einer vermeintlich homogenen Hochschullandschaft wahrgenommen werden.
Opening Doors: Selektive Hochschulen und ihre Verantwortung für soziale Mobilität
Die Jack Kent Cook Foundation hat mit „Opening Doors: How Selective Colleges and Universities Are Expanding Access for High-Achieving, Low-Income Students” jetzt einen neuen Bericht vorgelegt, demzufolge die selektivsten Hochschulen der USA ihren meritokratischen Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft noch in deutlich unzureichendem Maße nachkommen.

Man möchte das freilich anders ausdrücken und vor allem die Hochschulen loben, die sich in dieser Hinsicht positiv gegenüber ihren peers absetzen. Doch an einer Tatsache könne man doch nicht vorbeisehen: „At our nation’s most selective colleges, a mere three percent of incoming freshmen come from families in the bottom income quartile, while 72 percent come from families in the wealthiest quartile. As a result, there are 24 wealthy students for each low-income student at these elite schools.” Diese Tatsache untergrabe eine gesellschaftlich sehr wichtige Funktion der Elite-Unis, nämlich „that our higher education system is a meritocracy at its core”.

Diesen Kern wieder sichtbarer zu machen, unterscheidet man zunächst einmal innerhalb der etwa 300 Einrichtungen umfassenden Kohorte der „nation’s most selective colleges” (Grundlage ist die Kategorisierung in Barron’s Profiles of American Colleges als „most competitive” or „highly competitive”) die Guten mit zum Teil mehr als 40% Studierenden aus einkommensschwächeren Familien von den schlechteren mit vielleicht 6%. Unter den Guten sucht man sich dann die raus, die sich in jüngster Vergangenheit deutlich verbessert haben und beschreibt als Beispiele: „Vasser College increased from 16 to 24 percent and University of California-Santa Barbara increased from 31 to 38 percent.” Und schließlich schaut man sich an, was an diesen Beispielen letztlich für die Verbesserung der Lage ausschlaggebend gewesen sein könne. Die Bandbreite der Maßnahmen sei dabei so groß, wie die Bedingungen an den jeweiligen Hochschulen verschieden: „Many factors affect an institution’s willingness to admit more low-income students. Small liberal arts colleges can make choices that are unique to their circumstances, such as pairing each low-income applicant with a current student mentor. Large research universities may be able to invoke different practices, such as cultivating admissions pipelines from neighboring school districts with many low-income students.”

Was man angesichts der Zahlen im Bericht allerdings nicht als Argument dauerhaft werde durchgehen lassen, sei der mutmaßliche Zusammenhang zwischen finanziellen Möglichkeiten der jeweiligen Hochschule (gemessen in Stiftungsvermögen pro Studierendem) und sozialer Ausgewogenheit der Studierenden dort. Dazu gibt es ein Schaubild mit dem Titel „Exhibit 2: Economic Diversity is Not Determined by Endowment”, das die diesbezüglichen „Probleme” von Harvard, Yale, Princeton und Stanford beleuchtet. Sie verfügen alle über ein Stiftungsvermögen von mehr als $1 Mio. pro Studierendem, rekrutieren aber nur mehr (Harvard) oder weniger (Stanford) deutlich unter 20% ihrer Studierenden aus einkommensschwächeren Familien. Auf der anderen Seite bringen es die beiden Campi der University of California in Los Angeles und Berkeley, die jeweils deutlich unter $200.000 Stiftungsvermögen pro Studierendem haben, auf über 30% Pell-Grant-Empfänger (Studierenden-Bafög).
Als ein weiteres hervorragendes Beispiel wird das Pomona College genannt und ihm der Titel eines „2016 Cooke Prize Finalist” verliehen. Hierzu heißt es: „A liberal arts college with an enrollment of 1,650 students, Pomona College is committed to recruiting low-income, community college, first-generation, immigrant, refugee, and undocumented students from ethnically diverse backgrounds. (…) Pomona College meets the full demonstrated financial need of students (including undocumented students who graduate from U.S. high schools) with grants, scholarships, and a small work stipend, without loans. As part of the White House College Pipeline Initiative of 2014, Pomona’s president committed the institution to increase enrollment of Pell-eligible students to 20 percent. Pomona has since exceeded that goal, enrolling 22 percent Pell-eligible students in 2015-16.”

Sie finden den Bericht hier

Ein Beitrag zum Bericht auf Inside Higher Education geht vor allem auf eine finanzielle und eine psychologische Barriere ein, die seiner Einschätzung nach Kinder aus einkommensschwachen Familien von der Bewerbung an den selektivsten Hochschulen trennten. Das erste Problem sei vergleichsweise einfach zu beheben. Es heißt: „Most colleges and universities charge application fees ($65 is common, and some fees are higher). While the fees may seem small in the context of the total price of attending a private college, many low-income students report that they don't have the money. Colleges that have dropped application fees or made waivers automatic for many applicants have reported significant gains in the number of low-income students who apply, and who enroll.”

Das zweite Problem sei die unzureichende Transparenz vieler Elite-Hochschulen bei der Darstellung der zu erwartenden Kosten des Studiums. Während der „Net Price Calculator” etwa am Wellesley College gegenüber einkommensschwachen Familien freudlich und einladend wirke, atmete der von Yale veröffentlichte Rechner die Annahme, dass es Familien mit einem Jahreseinkommen von unter $200.000 gar nicht gebe. Es heißt: „Yale did not respond to a request for comment.”

Der von der Cook Foundation sehr gelobte und entsprechend empfohlene Pell Abacus, der eine Berechnung von Studienbeihilfen auch ohne detaillierte Auskünfte zum Familieneinkommen erlaube, aber eine Verbindung zur Webseite der Hochschule erfordere, werde von einigen der selektiven Colleges nicht unterstützt. Es heißt: „31 elite colleges, the report says, block use of the tool.”

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Was ist durch Meinungs- und Redefreiheit an Hochschulen geschützt?
Hochschulen in Nordamerika diskutieren vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse an der University of Virginia derzeit intensiv über das zulässige Maß von Akzeptanz gegenüber auch rechtsradikalen, rassistische und sonswie minoritätenfeindlichen Meinungsäußerungen auf dem Campus. Die Association of Public and Land-grant Universities hat jetzt in einer Stellungnahme versucht, dieses Dilemma mit folgender Stellungnahme zu lösen: „Precisely because public universities are and always must remain committed to free speech, hate groups have aimed to turn campuses into flashpoints. What’s more, public universities have a large number of students who may well protest hate speech. Hate groups know their demonstrations, including violent ones, can and do spark a spectacle and ultimately draw attention to their hateful views. Still, we must denounce their hateful rhetoric. The First Amendment is not just a right. It’s also a responsibility. We must speak out against evil, hateful beliefs through free speech of our own that advances the shared American value of equality. The struggle against hate will only be won through education and public understanding.”

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Inside Higher Education meldet, dass die Michigan State University und die Louisiana State University jeweils Anfragen des Rechtsradikalen Richard Spencer nach Auftrittsmöglichkeiten an den Hochschulen mit Hinweis auf befürchtete Gewalt im Umfeld solcher Auftritte abschlägig beschieden hätten. Es heißt im Hinblick auf die Argumentation für eine solche Absage: „Historically, public colleges are required under the First Amendment to be open to speakers with all views. But the incidents in Charlottesville have already led Texas A&M University and the University of Florida to block Spencer appearances, citing the threat of violence, not his views.”

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CBC meldet ein Dementi der University of Toronto, dass auf ihrem Campus eine „nationalist rally“ geplant sei und schreibt: „A Facebook page for the ‘Toronto Nationalist Rally’ describes the event as scheduled to take place on Sept. 14 on the university grounds. (...) In an email to CBC News, University of Toronto director of media relations Althea Blackburn-Evans said the school has had no communication with this group and that there is no such booking on its campus.”

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Auf Inside Higher Education wird zudem die Frage diskutiert, wie Hochschulen auf Studierende reagieren sollen, die bei Kundgebungen wie der jüngst in Charlottesville, Virginia als White Supremacists oder Neo-Nazis aufgefallen sind. Es heißt: „Many of those appalled by the rally and its participants have been circulating photographs of participants in an attempt to identify those who attended, calling on employers – and, in some cases, universities – to take action. While any disciplinary action is unlikely at public institutions, that doesn't mean issues related to race and free speech will go away.”
 
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Der Chronicle of Higher Education meldet zudem, dass die University of Virginia jetzt wegen einer Spende des Ku Klux Klan an sie in den 1920er Jahren in die Kritik geraten sei. Es heißt: „1921, the Klansmen paid homage to the university that would go on to educate some of white supremacy’s modern leaders by making a gift of $1,000. Professors are working to uncover what was done with the money. But they say the university has been reluctant to publicly acknowledge those ties.”
 
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Kurznachrichten
Ein Beitrag in der New York Times befasst sich mit dem Verhältnis der sehr wohlhabenden und sich räumlich ausdehnenden University of Southern California mit ihrem deutlich ärmeren urbanen Umfeld in Downtown Los Angeles. Es heißt: „When the University of Southern California’s campus extension opens in South Los Angeles on Thursday, it will not just welcome 2,700 new college students. It will also be an ambitious test of a public-private partnership hoping to remake a historically underserved neighborhood. (…) But the project also brings together one of California’s poorest areas and one of its wealthiest universities.”

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Inside Higher Education wirft einen Blick auf eine Untersuchung zur Frage der Determinanten für die Wahl des Studienfachs und schreibt: „The researchers found that conformity to feminine norms was associated negatively with a woman’s odds of choosing STEM and common pre-med majors, as well as arts and humanities majors. Conformity had a positive relationship with a woman’s odds of choosing majors in the social sciences, education and social services.”

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Der Chronicle of Higher Education befasst sich in einem Beitrag mit Hochschulen, denen in jüngster Zeit eine nennenswerte Verringerung der Quote von Studienabbrechern und eine Verbesserung des Studienerfolgs gelungen ist. Ein hervorragendes Beispiel sei diesbezüglich die University of South Florida, zu der es heißt: „From 2011 to 2015, the large university increased its six-year graduation rate for first-time college students by nearly 17 percentage points, the largest increase for a public institution in the country. In 2011, just over half of the nearly 4,000 undergraduates who entered as first-time freshmen six years earlier had earned their degrees. By 2015, the graduation rate had risen to 68.4 percent.” Der Erfolg ließe sich nur dadurch erklären, dass die gesamte Hochschule eingebunden gewesen sei und dass über lange Zeit ein hohes Maß an Begeisterung für das Ziel habe aufrechterhalten werden können.

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Dr. Nina Lemmens
Stefan Altevogt, Katrin Kempiners, Redaktion

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