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DAAD Nordamerika Nachrichten
18. Dezember 2016

 Die Themen dieser Woche:
  „For better or for worse” – Wer oder was war wichtig in 2016?
  „Vermarktung” terziärer Bildung
  Rekrutierungsziele werden oft nicht erreicht
  Kurznachrichten
 
  Liebe Leserinnen und Leser,

in der letzten Ausgabe des Jahres befassen wir uns mit einer Einschätzung des Chronicle of Higher Education zu den wichtigsten Einflüssen auf die US-amerikanische Hochschullandschaft in diesem Jahr und – vor dem Hintergrund der Beilegung eines Rechtsstreits zwischen der Federal Trade Commission und einem gewinnorientierten Hochschulunternehmen – mit der „Vermarktung” terziärer Bildung. Wir werfen zudem einen Blick auf die zunehmenden Probleme kleinerer Hochschulen, ihre Rekrutierungs- und/oder Einnahmeziele aus Studiengebühren zu erreichen, und schließlich auf verschiedene Kurznachrichten der Woche.

IIch wünsche Ihnen wie immer eine interessante Lektüre, schöne und erholsame Feiertage und einen guten Start in ein gesundes neues Jahr.

Stefan Altevogt

„For better or for worse” – Wer oder was war wichtig in 2016?

  Der Chronicle of Higher Education benennt in einem Jahresrückblick zehn Personen, die die US-amerikanische Hochschullandschaft seiner Einschätzung nach am nachhaltigsten beeinflusst haben – „for better or for worse”. Eine Auswahl:
An Donald Trump führt nach dem 9. November wohl kein Rückblick vorbei. Selbst wenn er nicht unmittelbar die Hochschulen des Landes beinflusst habe, sei sein Einfluss auf das allgemeine Klima, in denen Hochschulen mehr oder weniger gedeihen, kaum zu überschätzen: „Donald Trump won the country’s highest office by eschewing facts and openly doubting scholarly expertise.” Donald Trump werde der erste Post-Truth President der USA werden.
Der Gouverneur von Illinois, Bruce Rauner, habe es dank seiner hartnäckig geführten Haushaltsauseinandersetzungen mit dem Parlament unter die Top 10 geschafft. Es heißt: „Mr. Rauner, the first Illinois governor to have no prior experience in government, proposed a ‘Turnaround Agenda’ that would cut the state’s budget, freeze property taxes, limit the bargaining power of unions, place term limits on elected officials, and overhaul the state pension system.” Seit nunmehr 18 Monaten habe der Bundesstaat als Streitfolge keinen ordentlichen Haushalt mehr. Wenngleich die Finanzierung der öffentlichen Hochschulen nicht im Zentrum seiner Politik stünde, befände sie sich doch innerhalb der Auseinandersetzung in einer Art Geiselhaft, mit entsprechenden Folgen: „Chicago State University has been on the brink of shutting down for months, and rumors of a closure have also circulated at Eastern Illinois University, whose credit rating was downgraded to junk-bond status in February.” Das über Illinois hinausweisende Problem sei, dass ein derartiges Verhalten Nachahmer in anderen Bundesstaaten finden könne bzw. im Falle von Pennsylvania und Kentucky schon gefunden habe.
Justice Anthony M. Kennedy hat seine Aufnahme in die Top 10 seiner veränderten Einstellung zur Frage von Affirmative Action zu verdanken, deren Verfassungsmäßigkeit zuletzt in der Entscheidung „Fisher v. University of Texas at Austin” bestätigt worden sei. Es heißt: „Kennedy was going to cripple affirmative action – or kill it. Some scholars and pundits said so. (...) Instead of shredding the existing legal framework for race-conscious admissions plans, Justice Kennedy preserved it.”
Julie Kushner habe als Direktorin der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) auf Betreiben von Studierenden an der New York University seit 1998 daran gearbeitet, die auch mit nachgeordneter Lehre an Hochschulen beauftragten Grad-Students in ihrer Eigenschaft als Arbeitskräfte gewerkschaftlich zu organisieren. Diese Bemühungen seien in diesem Jahr durch die Entscheidung des National Labor Relations Board zu einem erfolgreichen Ende geführt worden. „Graduate Assistants” an privaten Hochschulen hätten danach das Recht, zur Verfolgung ihrer Arbeitnehmerinteressen Gewerkschaften zu gründen.
Rosa Ines Rivera habe mit ihren Bemühungen um verbesserte Bezahlung und Arbeitsbedingungen daran erinnert, dass Hochschulen nicht nur Gemeinschaften von Forschenden, Lehrenden und Lernenden sind, sondern auch Arbeitgeber für zahlreiche nicht-akademische Tätigkeiten. Als Mitarbeiterin der Mensa an Harvard University habe sie in einer Auseinandersetzung mit der Hochschulleitung Profil gewonnen. In deren Zentrum stand mit sozialer Gerechtigkeit eines der an Hochschulen gerne diskutierten Probleme: „She says she was especially frustrated that her employer, the wealthiest university in the world and an exemplar of intellectual capital and humanist ideals, would fail to reach an initial deal with its lowest paid full-time employees.”
John Ellison habe sich nachhaltig in die Diskussion um die Frage eingemischt, ob Hochschulen Orte des freien Ausstauschs von Ideen sein sollten, oder eher Räume, in denen Studierende vor möglicherweise erschütternden Einsichten geschützt werden müssten. Hintergrund der Debatte ist eine auch an Hochschulen um sich greifende Gewohnheit, Diskussions- und Lerninhalte mit sogenannten „Trigger Warnings” zu versehen. Ellison habe in seiner Eigenschaft als Dean of Students der University of Chicago unmissverständlich klar gestellt: „Our commitment to academic freedom means that we do not support so-called ‘trigger warnings,’ we do not cancel invited speakers because their topics might prove controversial, and we do not condone the creation of intellectual ‘safe spaces,’ where individuals can retreat from ideas and perspectives at odds with their own.”
Charla Long verdiene schließlich die Erwähung bei den Top 10 ihren mittlerweile Früchte tragenden Bemühungen, Semesterwochenstunden (also „abgesessene” Zeit als Maß von Studienleistung) den Nachweis bestimmter Fertigkeiten gleichwertig an die Seite zu stellen. Die Arbeit des von ihrer geleiteten „Competency-Based Education Network” habe in jüngster Zeit erkennbar an Dynamik gewonnen: „About 600 colleges are looking to adopt competency-based programs, which allow students to make progress based on whether they demonstrate mastery of material, not on how much time they’ve spent in a course.”

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„Vermarktung” terziärer Bildung

  Inside Higher Education meldet die Einigung zwischen der Federal Trade Commission (FTC) und den gewinnorientierten Hochschulbildungsanbietern DeVry Education Group und DeVry University über die Beilegung des Vorwurfs, mit gefälschten Beschäftigungsstatistiken ihrer Absolventen Interessenten an ihren Bildungsangeboten getäuscht zu haben. Die Einigung war nicht billig. In der Meldung heißt es: „The company will pay $49.4 million to the FTC and forgive $30.4 million in institutional loans that were issued before Sept. 30, 2015. The for-profit will also forgive $20.2 million in outstanding DeVry accounts receivable balances for former students.” Wie in solchen Fällen üblich (so zuletzt auch bei der Einigung mit Trump University), enthält ein solcher Vergleich kein Eingeständnis von Schuld seitens des Unternehmens.

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Die New York Times zitiert in einem Beitrag zur Einigung die Leiterin der FTC mit den Worten: „When people are making important decisions about their education and their future, they should not be misled by deceptive employment and earnings claims.” De Vry habe behauptet, dass 90% der Absolventen innerhalb von sechs Monaten eine Anstellung im angestrebten Bereich erhalten hätten und dass Bachelor-Absolventen der Hochschule im Durchschnitt 15% höhere Einkommen erzielten als Absolventen anderer Einrichtungen.

Sie finden den Beitrag hier.

Aus deutscher Perspektive war über lange Zeit der Gedanke bemerkenswert, dass dem lebenszeitlichen und außerhalb Deutschlands oft auch erheblichen finanziellen Aufwand des Besuchs einer Hochschule ein messbarer Nutzen gegenüberstehen sollte, messbar in Gestalt höherer Einkommensintegrale, geringerer Arbeitslosigkeit etc. Dass Hochschulbildung einen geldwerten und entsprechend hochpreisig verkäuflichen Vorteil darstellt, bildet das Zentrum des Geschäftsmodels der For-Profits hierzulande, das durch die sog. „Gainful Employment Rule” des Bildungsministeriums zuletzt ein wenig in die Schranken verwiesen wurde. Danach muss der finanzielle Nutzen einer Hochschulbildung die Absolventen in die Lage versetzen, die durch die Bildung aufgelaufenen Schulden auch wieder zurückzahlen zu können. Die Gainful Employment Rule ist allerdings keine Regelung exklusiv gegen die For-Profits. Sie sind nur im Besonderen davon betroffen, weil das Versprechen eines Gainful Employment nach Studienabschluss das wichtigste Rekrutierungsargument der For-Profits ist.

Im Auftrag des Ministry of Advanced Education and Skills Development der kanadischen Provinz Ontario hat der Council of Ontario Universities Zahlen zu den beruflichen Werdegängen der Hochschulabsolventen des Jahres 2013 ermittelt. Das Resüme: „As the world continues to change at a rapid pace, the future remains bright for university graduates.” Zwei Jahre nach Studienabschluss hätten danach fast 94% der Absolventen eine Anstellung gefunden, die ihnen nach zwei Jahren im Durchschnitt Jahreseinkommen von knapp Can$ 50K einbringen würden. Zur Kongruenz von Ausbildung und Beruf heißt es: „Two years after graduation, 89.1 per cent of graduates employed full time considered their work either closely or somewhat related to the skills developed at university.”

Sie finden die Untersuchung hier.

Öffentliche Investitionen in Hochschulbildung, so ein Beitrag von CBC News, seien aber auch im Hinblick auf einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen erforderlich. Das Conference Board of Canada schätze, dass der Provinz British Columbia in den kommenden zehn Jahren ein erhebliches Missverhältnis von Angebot und Nachfrage hochqualifizierter Arbeit und infolgedessen Einbußen bei der Wirtschaftsleistung in Milliardenhöhe drohe. Es heißt: „British Columbia could lose up to $7.9 billion in GDP annually because it does not have the skilled labour to replace an aging workforce in a changing economy.” Einer der diskutierten Lösungsvorschläge sei es, bislang an den Hochschulen unterrepräsentierte Schichten verstärkt zu integrieren.

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Rekrutierungsziele werden oft nicht erreicht

  Der Chronicle of Higher Education hat die Ergebnisse einer Umfrage unter Hochschulen nach der Erreichung selbst gesetzter Rekrutierungsziele veröffentlicht, die in Zusammenarbeit mit dem Council of Independent Colleges und der American Association of State Colleges and Universities ermittelt worden sind. Dennoch war die Auskunftsfreudigkeit begrenzt: „The Chronicle polled 1,063 colleges, of which 447 responded: 315 private and 132 public campuses.” Dabei gehe es um jene beiden Zahlen, die im wirklichen Leben den größten Einfluss auf den Blutdruck von Hochschulleitungen hätten. Im wirklichen Leben, also abseits der wenigen Hochschulen, die für jeden Studienplatz zwischen fünf und zehn Bewerber hätten, dazu noch welche, die die Studiengebühren zu zahlen bereit und in der Lage seien: „Everything depends on those two numbers. They hover over cabinet meetings, they keep presidents up at night. Each year colleges chase one goal for enrollment and another for net tuition revenue. Hitting those targets is crucial; missing them can lead to crisis.” Zahlen für Einschreibungen und den Deckungsbeitrag der Studierenden seien bei mehr als 40% der privaten und bei fast 30% der öffentlichen Hochschulen in diesem Jahr verfehlt worden, eines von beiden Zielen sei von zwei Drittel der privaten und der Hälfte der öffentlichen Hochschulen verfehlt worden.
Häufig sei es dabei das Problem, dass die Erwartungshaltung den Wünschen mehr entspräche als der Wirklichheit. Als Beispiel zitiert der Beitrag die Erfahrungen des Vice President for Enrollment an der Drew University in New Jersey, Robert J. Massa: „This year Mr. Massa thought Drew could enroll about 400 freshmen at a 55-percent discount rate [Rabattvolumen, das dann dem Deckungsbeitrag fehlt]. Working with his chief financial officer, he settled on a safer target: 385 students at a 58-percent discount rate. In the end, though, the university fell well short of its official goal, enrolling 350 first-year students.”
Zu welcher Discount Rate diese 350 Studienanfänger schließlich das Studium an Drews aufgenommen hätten, bleibt ungenannt. Das Verfehlen der Rekrutierungsziele im vorliegenden Fall sei aber möglicherweise auch das Ergebnis einer langfristigen Strategie, selektiver zu werden und weniger Rabatte anzubieten. „Sometimes long-term strategies can help explain a shortfall. Drew, which seeks to attract more high-achieving students, opted to become significantly more selective this year. It also managed to lower its discount rate by 10 percentage points. Both of those outcomes will serve the university well down the line, Mr. Massa believes.”

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Kurznachrichten

  Auf dieser Seite des Atlantiks wird vor allem in Kanada derzeit mit Interesse verfolgt, wie das Vereinigte Königreich seinen in der Vergangenheit erworbenen Status als eine wichtige Zielregion für internationale Studierende selbst untergräbt. So schaffte es eine Meldung im Guardian in die Top 10 der kanadischen Academica Group, wonach das britische Innenministerium eine Reduzierung der pro Jahr ausgegebenen Studierendenvisa von derzeit 300.000 auf 170.000 plane. Es heißt in der Meldung: „International students bring more than £10.7bn to the UK economy, according to Universities UK, the vice-chancellors’ umbrella group. The head of one leading university, who asked not to be named, denounced the potential scale of the cuts as ‘insane’, adding: ‘politics is trumping economics’.”

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Inside Higher Education zitiert Zahlen einer gemeinsam von Purdue University und dem Meinungsforschungsinstitut Gallup durchgeführten Untersuchung zu Bedarf und Nutzen von Karriereberatung an Hochschulen für die Absolventen. Das ernüchternde Ergebnis: „Recent college graduates were more likely than those in prior decades to visit a career center while in college but are less likely to view their interactions as ‘very helpful’.” Nur 17% aus den Absolventenjahrgängen 2010 bis 2016 hätten den diesbezüglichen Service der Hochschule als sehr hilfreich empfunden, genausoviele fanden ihn „not helpful at all”, weitere 26% nannten ihn „helpful” und erstaunlich viele, nämlich 40%, sammelten sich im beliebten Kästchen des „irgendwie dann doch irgendwie hilfreich”.

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David Leonhardt befasst sich in einem Beitrag für die New York Times mit einer Initiative von Michael Bloomberg, dem ehemaligen Bürgermeisters von New York und namhaften Hochschulspender (die Summe seiner Spenden an seine Alma Mater Johns Hopkins belaufen sich derzeit auf $1,3Md.), mit der er die Elitehochschulen des Landes dem Land insgesamt ähnlicher machen möchte. Das erklärte Ziel seiner American Talent Initiative: „The number of Pell Grant recipients (who tend to come from the bottom two-fifths of the income distribution) attending the 270 colleges with the highest graduation rates should rise 50,000 within 10 years. That would be an increase of more than 10 percent.” Wenngleich Bloomberg dafür bekannt ist, seine Ziele zu erreichen, zeigt ein Schaubild den schweren Weg zum Ziel: Derzeit liegt der Anteil von Pell Grant-Empfängern an Harvard bei 15%, an Stanford und Princeton bei 13%, an der University of Michigan bei 12% und an der Washington University bei 7%. Es läge nicht an der Einsicht: „To their credit, college leaders have acknowledged that their student bodies are too affluent. Students, professors and the media should hold them to their commitment.”

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